Das 11. Gebot: Du sollst nicht schneller rennen als alle anderen

Über die Abschaffung des Wettbewerbs.
Seit über 20 Jahren verfolge ich Bildungspolitik in Deutschland nicht nur als Journalistin, sondern auch als Mutter von vier Kindern im Bildungswesen. Im selben Zeitraum ist der Prozentsatz der Kinder, die die deutsche Grundschule ohne ausreichende Kenntnisse im Lesen und Schreiben nach der 4. Klasse verlassen, auf inzwischen 25 Prozent angestiegen. Die letzte PISA-Studie zeigte, dass 20 Prozent aller 15-Jährigen in Deutschland auch später immer noch auf dem Leseniveau der 4. Klasse bleiben.

„Die von George Orwell in seinem Roman 1984 konzipierte Parole „Unwissenheit ist Stärke“ wird als Konzept an deutschen Schulen jedenfalls planmäßig umgesetzt.“

25 Prozent an Kindern, die also auch auf der nächsten Schulform dem Unterricht nicht vernünftig folgen können, weil ihnen elementare Kenntnisse zum Verstehen eines Textes fehlen. Die von George Orwell in seinem Roman 1984 konzipierte Parole „Unwissenheit ist Stärke“ wird als Konzept an deutschen Schulen jedenfalls planmäßig umgesetzt.

Nun könnte man viel über unterschiedliche pädagogische Konzepte streiten, Deutschland tut das auch ausgiebig und experimentiert seit Jahrzehnten mit Schulkonzepten aber auch Lernkonzepten wie “Schreiben nach Gehör”, das dann anschließend mühevoll durch Eltern und andere Lehrer korrigiert werden muss. Möglicherweise liegt genau hier der direkte Zusammenhang zu den 25 Prozent Nicht-Lesern in der Grundschule. Jene Bundesländer die auf bewährte Einteilung der Schüler je nach Leistungsniveau und ein dreigliedriges Schulsystem setzen, erzielen dabei bis heute die besten Ergebnisse.

„Das sozialistische Ziel einer unbedingten gesellschaftlichen Gleichheit aller Menschen hat systematisch Leistung, Exzellenz und Wettbewerb aus dem Bildungssystem getilgt. „

Ich werfe meinerseits die These in den Raum, dass die Misere des Bildungsniveaus mit der Abschaffung des Wettbewerbs auf allen Ebenen begonnen hat. Das sozialistische Ziel einer unbedingten gesellschaftlichen Gleichheit aller Menschen hat systematisch Leistung, Exzellenz und Wettbewerb aus dem Bildungssystem getilgt.
Wir erlebten die Abschaffung von Noten in den ersten Schuljahren, die Abschaffung von Leistungsdruck, die Abschaffung von Eliten, ja selbst die Abschaffung von Sportwettbewerben. All das sollte dem einen Ziel dienen: Niemand soll sich zurückgesetzt oder gar inkompetent fühlen. Schule soll nicht wehtun, nicht anstrengen und vor allem Spaß machen.

Wir haben nicht mehr 10 Gebote, sondern jetzt auch ein 11. Gebot: “Du sollst nicht schneller rennen als irgendjemand anders”. Auch nicht schneller denken, nicht schneller lernen und um Himmels Willen nicht vor deinen Mitschülern im Ziel ankommen. Im übertragenen Sinne sorgen wir nicht mehr für Chancengerechtigkeit, sondern für Ergebnisgleichheit.

Es war die britische Regierungschefin Margret Thatcher, die es einst gut auf den Punkt brachte: „Socialists say equality, what they mean is levelling down“.  Genau das geschieht gerade. Wir haben das Niveau erfolgreich gesenkt, vertuschen es jedoch mit dem Verschenken guter Noten.

Nie gab es bessere Abiturjahrgänge in Deutschland als mitten in der Corona-Krise, als Schulen monatelang schlossen und Unterricht ausfiel. Nie gab es mehr höchste Punktzahlen im Abitur. Wie man das anstellt? Indem man einfach die Anforderungen senkt. Im Gegenzug beschweren sich Hochschulprofessoren seit vielen Jahren, dass an deutschen Universitäten nur noch die wenigsten Studenten eine korrekte Rechtschreibung beherrschen, von Satzzeichen, wollen wir gar nicht reden. Dafür haben sie jetzt Lieblingspronomen.

„Das ehemalige Land der Dichter und Denker schaltet in Folge nicht nur die Kernkraftwerke und die eigene Wirtschaft, man schneidet auch die kommende Generation von Innovation und Fortschritt ab.“

Es gehört zum deutschen Wesen, alles, was man tut, gründlich zu betreiben, im Zweifel auch den Untergang der Bildung. Das ehemalige Land der Dichter und Denker schaltet in Folge nicht nur die Kernkraftwerke und die eigene Wirtschaft, man schneidet auch die kommende Generation von Innovation und Fortschritt ab, indem man sie nicht mehr befähigt, frei zu denken, zu forschen und zu handeln, in dem man den Motor jeder Innovation abschaltet: Das Bedürfnis und den Ansporn, besser zu sein. Die Freude am Wettkampf, am sich messen mit anderen.

Die Bewertung der eigenen Leistung, der Vergleich mit der Leistung anderer, das Verlieren und das Gewinnen – das alles sind nicht nur Zahlen und Tabellen, sondern in der Regel auch der Antrieb für Leistungssteigerung, der Motor für Spezifikation, für hartes Training und damit die Grundvoraussetzung für Erfolg und Einzigartigkeit. Man kann sagen: Im Zuge der überbordenden Identitätspolitik will zwar jeder einzigartig sein, er will dafür aber nichts tun müssen.

Schlimmer noch, durch die sozialistische Denkweise, die sich durch das Bildungssystem arbeitet, sind Leistungsvergleiche sogar in Verruf geraten, sie zeigen schließlich Ungleichheit, sie dokumentieren sie schwarz auf weiß. Sie zeigen Eliten und Schwache, sie belohnen die Guten, jene die intelligenter und schneller sind und lassen jene zurück, die langsamer sind. Leistungsvergleiche gelten in der deutschen Pädagogik weit verbreitet als demotivierend. Der Schüler soll schließlich ermutigt und nicht frustriert werden.

Bereits vor über 20 Jahren hat man deswegen in den ersten Schulklassen die Noten abgeschafft. Statt von 1 bis 6 vergleichbare Leistungen abzufragen, bekommen Kinder und Eltern seitenweise Prosa-Abhandlungen über die Leistung im Lesen, Schreiben und Rechnen. Alle Formulierungen hören sich freundlich an. Der Teufel steckt – ähnlich wie bei Arbeitszeugnissen von Erwachsenen im Detail der Formulierungen. Die Frage, ob der kleine Peter also eine 1, eine 2, oder eine 5 im Lesen hat, wird dann mit Formulierungen versteckt wie, Peter liest ganz ausgezeichnet, oder fast immer korrekt oder Peter schafft es immer wieder einen Satz ganz zu lesen.

„Niemand soll schneller laufen als die anderen, damit jene, die langsam sind, sich nicht diskriminiert und verletzt fühlen. Und vor allem auch: Niemand soll sich gut fühlen, wenn er besser ist, als die anderen. „

Später hat man die jährlichen Sportwettkämpfe, auch bekannt als Bundesjugendspiele, als Einzelwettkämpfe abgeschafft. Kein Kind wird mehr als Bester im Laufen, im Weitspring gefeiert, stattdessen darf es seine Punkte nur noch ins Klassenteam einfügen, wo dann die ganze Klasse gemeinsam gewertet wird. Hoch lebe das Kollektiv! Niemand soll schneller laufen als die anderen, damit jene, die langsam sind, sich nicht diskriminiert und verletzt fühlen. Und vor allem auch: Niemand soll sich gut fühlen, wenn er besser ist, als die anderen. Im Ergebnis dieser sportlichen Umerziehung erzielte Deutschland bei der letzten Leichtathletik WM 2023 genau Null Medaillen.
Es wurde aber auch das Wording verändert, um jene zu benennen, die sich sozial nicht einfügen und den Unterricht stören. Waren das früher Leistungsverweigerer, sind es heute „verhaltenskreative“ Kinder. Kreativ, klingt das nicht wunderbar?

Mit zum sozialistischen Denken gehört auch das Bestreben, Kinder wenn möglich flächendeckend in Ganztagsschulen unterzubringen. Auch hier geht es nicht um Leistungssteigerung durch mehr Unterricht, denn es wird nicht mehr unterrichtet als früher in der Halbtagsschule, die Kinder verbringen nur ihre Nachmittagszeit nicht zu Hause, sondern in der Schule, wo man die Bildungsstarken auch hier möglichst mit den Schwachen nur noch gemeinsam lernen und auch Hausaufgaben machen lässt. Denken Sie an Margret Thatcher: „Socialists say equality, what they mean is levelling down“. 

„Familie und Elternhaus werden nicht als Garant für den Bildungserfolg der Kinder gesehen oder gar gefördert, sondern als unfairer Vorteil und als Störfaktor betrachtet, den man abschaffen muss.“

Siegmar Gabriel, der ehemalige Vorsitzende SPD, ein Vorgänger des heutigen Bundeskanzlers Olaf-“Die Lufhoheit über den Kinderbetten gehört uns”-Scholz, machte sich vor einigen Jahren stark dafür, Hausaufgaben abzuschaffen. Nicht etwa um Kinder zu entlasten, sondern um Schule “gerechter” zu machen. Die astreine sozialistische Argumentationskette hangelt sich etwa so entlang: Akademikereltern könnten ihren Kindern viel besser bei den Hausaufgaben helfen als jene Eltern, die nicht studiert haben. Das wiederum sei ungerecht. „Und deswegen will ich, dass das in der Schule stattfindet und nicht im Elternhaus“, formulierte der SPD-Mann.

Es war in den Augen der Sozialisten nicht etwa gut, dass Elternhäuser Bildung fördern, es war unfair für jene Kinder, die keine solchen Eltern haben. Es zeigt einen weiteren Punkt, sozialistischer Bemühungen auf dem Weg zum Mittelmaß: Familie und Elternhaus werden nicht als Garant für den Bildungserfolg der Kinder gesehen oder gar gefördert, sondern als unfairer Vorteil und als Störfaktor betrachtet, den man abschaffen muss. Niemand soll besser sein als andere.

Auch heute diskutierte Konzepte wie Frauen- oder auch Migrantenquoten passen haargenau in diese Denkweise: Nicht Leistung entscheidet, sondern eine unbedingte Gleichheit der Geschlechter. In diesem Denken trägt niemand die Verantwortung für seinen Erfolg selbst, immer gibt es andere oder ein System, die Schuld sind. Immer können dann auch nur andere die eigene Misere lösen, während man selbst in der eigenen Opfer-Lethargie liegen bleiben kann.

Dieselbe Denkweise ist allerdings auch in der weit verbreiteten Kapitalismuskritik enthalten, wo jene, die reich sind, nicht etwa als erfolgreich gefeiert werden können, sie werden verurteilt als Ausbeuter der Armen. Gerade brachte ein deutscher „Gerechtigkeitstheoretiker“ – was muss man dafür studiert haben? – die Abschaffung des Erbrechtes in die politische Debatte, damit niemand mehr besitzt als andere, auch nicht die hart erarbeitete Lebensleistung seiner Eltern.

Er argumentiert, Erbschaften würden nur reiche Parallelgesellschaften schaffen und die Demokratie untergraben. Niemand diskutiert, was geschieht, wenn Menschen erst einmal begriffen haben, dass sich Leistung und Risikobereitschaft nicht lohnen, weil man es nicht einmal den eigenen Kindern vererben darf. In solchen Gesellschaften würde noch mehr Geld zu Lebzeiten verschwendet, keine nachhaltige Wirtschaft betrieben und nichts mehr der Nachwelt übertragen. Aber ja, dann hätte wirklich keiner mehr ein Vermögen, alle wären gleich.

Früher bauten die Deutschen die besten Autos und spielten den besten Fußball. Inzwischen ruinieren wir mit unserer Energiepolitik nicht nur die gesamte Automobilbranche, die Misere der Leistungsverweigerung hat sogar den deutschen Fußball ergriffen. Bei der letzten Fußball-WM hat die deutsche Mannschaft statt Tore zu schießen vor allem ausgiebig diskutiert, wie man mit einer Regenbogen-LGBT-Armbinde ein Zeichen für Toleranz setzen kann. Im Ergebnis sind wir schnell ausgeschieden und es hat niemand die Deutschen vermisst.

„Wir schaffen also auf allen Ebenen das Leistungsprinzip ab und das von Kindesbeinen an, wundern uns aber nach wie vor, dass wir keine Champions und Idole mehr formen.“

Der Deutsche Fußball-Bund verfolgt immerhin mit Sorge, dass es immer weniger gute Nachwuchsspieler gibt. Wie reagieren sie nun darauf? Gerade erst hat der Deutsche Fußball-Bund hochaktuell beschlossen, in den Klassen der Kinder- und Jugendspiele fortan auf die Wertung der Tore zu verzichten. Wir schießen keine Tore mehr und wenn doch, ist es egal. Wir wollen nur noch Freude am Spiel ohne Ergebnis. Keine Mannschaft soll bei den Kindern mehr verlieren und gewinnen, kein Tor soll gezählt werden, keine Mannschaft steigt mehr auf oder ab, man will den Kindern und Jugendlichen den „Ergebnisdruck“ nehmen. Ich bin nicht sicher, wie ich meinen beiden Söhnen hätte erklären sollen, dass sie zwar spielen, rennen und kämpfen sollen, es sich aber nicht lohnt, weil sie nicht gewinnen dürfen und es auch nicht sollen. Nach der Theorie des Deutschen Fußball-Bundes sollen damit in ein paar Jahren junge Fußballgötter entstehen.

Wir schaffen also auf allen Ebenen das Leistungsprinzip ab und das von Kindesbeinen an, wundern uns aber nach wie vor, dass wir keine Champions und Idole mehr formen. Stattdessen legt man aber bei den Vorbereitungen für die Fußball Europameisterschaft 2024 in Deutschland großen Wert auf Klimaschutz, Diversity und Nachhaltigkeit, um damit Vorbild für die Welt zu sein. Es wird in den Stadien genderneutrale Unisextoiletten, Fahrradstellplätze und Bekenntnisse zum Minderheitenschutz geben. Und natürlich vegane, gluten-, lactose und nussfreie Speisen.

Sollte jemand in ein paar Jahrzehnten fragen, wann der Abstieg der Deutschen von der Weltbühne begonnen hat, dann können wir ihm sagen, es war damals, als sie nicht einmal mehr im Fußball gewinnen wollten.