Keine Kinder für das Klima?

Hurra, wir sterben aus! – ruft der moderne Klimaaktivist von heute. Galt Kinderlosigkeit über Jahrhunderte als bedauernswertes Schicksal des Menschen, ist heute der demografische Niedergang der deutschen Bevölkerung für viele gar die Lösung eines angeblichen Problems, dessen Formulierung vor 50 Jahren an prominenter Stelle erfolgte.

Damals veröffentlichte der „Club of Rome“ seinen Bericht über „Die Grenzen des Wachstums“ und es war nicht absehbar, wie sich die Ergebnisse der Computersimulation dieses 17-köpfigen Expertenteams unter der Leitung des Ökonomen Dennis Meadows innerhalb der weltweiten Politik verankern würden. Heute kann man sagen, dass sich vor allem das prognostizierte Katastrophenszenario der Überbevölkerung, die man unbedingt verhindern muss, weitläufig als unfehlbares Dogma innerhalb der westlichen Wohlstandsgesellschaften durchgesetzt hat.

Oder kommt der zur Rettung der Erde moralisch unterfütterte Kinderverzicht nur dem wachsenden Hedonismus einer übersättigten, überbehüteten und gleichzeitig unterforderten Generation entgegen, die zwar keine Mühe beim Bodyshaping im örtlichen Fitnesscenter scheut, sich aber überfordert fühlt, Beziehungen einzugehen, Familien zu gründen und Kinder großzuziehen?

Längst hat sich jedenfalls die damals skizzierte Kausalkette Überbevölkerung-Unterernährung-Ressourcenknappheit-Umweltschäden-menschgemachter-Klimawandel als angeblich unabwendbare Apokalypse in den Köpfen vieler Politiker und inzwischen auch weiten Teilen der Medien festgesetzt. Da hilft es auch nichts, dass Elon Musk als personelle Ausnahmeerscheinung des globalen Wirtschaftssystems kürzlich öffentlich die Panik-Szenarien des Club of Rome anzweifelte, denn das eigentliche Problem der Menschheit sei nicht die Überbevölkerung, sondern eher eine Implosion der Menschheit, eine „alternde und schrumpfende Weltbevölkerung“.

Im Ergebnis des nun 50-jährigen Bevölkerungsexplosions-Mantras fehlen die Kinder nicht nur auf den Straßen und selbst den Spielplätzen, sondern selbstredend auch auf dem Arbeits- und Rentenmarkt. Wer vor 30 Jahren nicht mehr gezeugt wurde, kann heute nicht in die Rente einzahlen. Im Namen der Emanzipation darf das aber nicht ausgesprochen werden.

Setzt man diese Angst vor dem Weltuntergang durch ein Zuviel des Faktors „Mensch“ auf dem Planeten als Perspektive der politisch Handelnden voraus, ergibt vieles am politischen Handeln und Unterlassen plötzlich Sinn und System für den großen Plan der Weltenrettung.

Dann macht es Sinn, den demografischen Niedergang nicht zu verhindern, sondern nur sozialverträglich zu verwalten. Wer das Aussterben der Menschheit zur Lösung erklärt, dem steht schließlich Tatenlosigkeit gut an. Wer will da noch die Geburtenrate erhöhen?

Wo es genug oder gar zu viele Menschen gibt, muss man sie nur auf der Erde anders verteilen. Zuwanderung von Bevölkerung aus anderen Teilen der Erde, statt Zeugung eigener Kinder ist in dieser Logik richtig.

Die Abtreibung zu forcieren und zu legalisieren und die Euthanasie juristisch möglich zu machen, ist in dieser Logik konsequent: CO2-Verbrauch vermindern, indem weniger Menschen und diese auch noch kürzer leben.

Weltweiter Sexualkundeunterricht nach dem vorgeschlagenen Schema der WHO bereits ab Kindergarten, der inhaltlich auf Vermeidung und Abbruch von Schwangerschaften – also die Vermeidung des Problems „Kind“ – ausgerichtet ist, passt ebenfalls in diese Logik.

Entwicklungshilfe in der 3. Welt, die Verhütungsmittel und Abtreibung im Kontext der „reproduktiven Gesundheit“ im Gepäck hat, ist damit nicht nur logisch, sondern gar geboten.

Logisch also, dass auch die Ampel-Koalition als familienpolitisches Programm rein gar nichts anzubieten hat für die Durchschnitts-Beziehung aus Mann und Frau, die über Kinder nachdenkt. Die einzige Initiative der Bundesregierung, um das Kinderkriegen zu unterstützen konzentriert sich stattdessen ausgerechnet auf jene Bevölkerungsgruppen, die in ihrer Lebens- und Paarkonstellation auf natürlichem Weg niemals Kinder bekommen könnten: Singles, Lesben und Schwule. Wer sich nicht selbst befruchten kann, gilt als benachteiligt und bekommt nicht etwa wegen des demografischen Niedergangs, sondern wegen seines diskriminierten Zustandes eine künstliche Befruchtung bezahlt, während das schwule Paar nach legaler Gebärdienstleisterin ruft.

Brauchte es früher nur Mann und Frau und eine Gelegenheit, wird Kinderkriegen damit zur medizinisch-kostspieligen, aber natürlich kassenfinanzierten Leistung, die bei LGBT-Aktivisten gesellschaftlich gewollt ist, während die heteronormative Großfamilie mit drei selbstgezeugten Kindern unter Generalverdacht des Asozialen gestellt wird. Der moderne Mensch hat Liebe, Beziehung, Sexualität und Fortpflanzung längst voneinander entkoppelt und in Dienstleistungen und „Reproduktionsarbeit“ umgewandelt, er lässt sich künstlich besamen, lässt fremde Frauen brüten und gebären, lässt kranke Kinder aussortieren und plant die Fortpflanzung genau so akkurat, wie seinen Aktienfond.

Die Gehirnwäsche der nächsten Generation funktioniert bereits prächtig. Fridays For Future schwänzt Schule für das Klima und gerade kleben sich unverdrossen die Kinder der Klimaaktivisten der sogenannten „Letzten Generation“ in Berlin, Frankfurt und anderen Städten zur Behinderung des Verkehrs zur Apokalypsenabwehr auf die Straße. Die Rettung des Planeten erfolgt in ihrer Rhetorik nicht mit Hilfe des Menschen, sondern durch die Befreiung des Planeten vom Menschen. Nachhaltigkeit ist heute menschenfrei, was man langfristig nur mit „kinderfrei“ bewerkstelligen.

Entsprechend argumentieren die Damen Feministinnen, denen die Befreiung vom Kind schon immer ein inhaltliches Anliegen war, die jetzt aber klimapolitisch unterfüttert bewusst nicht „kinderlos“, sondern explizit „kinderfrei“ bleiben – man achte auf die Betonung der erreichten Freiheit – und in einem selbst gewählten „Gebärstreik“ verharren, solange politisch nicht genug zur Abwendung des Klimawandels getan wurde. Das Klima ist sicher beeindruckt ob so viel Engagement!

In der Großstadt hat man derweil jetzt Katze statt Kind. Die Zahl der Haustiere steigt kontinuierlich an, allein während der Pandemie um eine Million auf inzwischen fast 35 Millionen Tiere. Die klassische berufstätige Frau im heiratsfähigen Alter ist heute nicht nur weiblich, ledig, jung, sie besitzt auch eine Katze gegen die Einsamkeit der schicken, aber abends stillen, weil leeren Wohnung. Der Mann neigt im selben Alter tendenziell eher zum Hund. Er ist treu, widerspricht nicht und ist somit der ideale Lebenspartner. Außerdem lässt er ihn auch auf Online-Dating-Portalen für Frauen sympathisch und naturnah wirken.

Der deutsche Heimtiermarkt ist zu einem der größten Absatzmärkte Europas avanciert, das Fernsehen verkauft Krankenversicherungen für Haustiere, Hundetrainer verkaufen Bestseller zur Hundeerziehung und erklären in neuen TV-Sendeformaten überforderten Besitzern, wie man Beziehungen zum Tier aufbaut. Niemand erklärt ihnen, wie man das mit gleichaltrigen Menschen tut. Jugendliche halten Kuppel-Shows à la „Bachelor“ und „Love Island“ für Formate, die zu romantischem Hochzeitsfinale führen und wundern sich gleichzeitig über das Scheitern von One-Night-Stands.

Das fatale Duett aus Klimarettung und feministischer Befreiungsrhetorik hat es geschafft, eine sogenannte „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ der Frau dann als erfolgreich zu definieren, wenn vor allem der Beruf zu 100 Prozent störungsfrei und reibungslos stattfinden kann. Menschliche Glückseligkeit ist in dieser Perspektive also nur auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen, entsprechend müssen die Rahmenbedingungen der Gesellschaft so mit Kita-Wänden aufgemauert werden, dass sie die vermeintliche „Last“ der „Familienarbeit“ abstützen, damit Frau im Selbstverwirklichungsgarten des Großraumbüros frei herumtollen kann.
Es gehört vielleicht zu den größten Errungenschaften des Turbokapitalismus, dass er die feministische Frau als Steigbügelhalter seiner Ausbeutungstendenz eingespannt hat, ohne dass sie sich dessen bewusst wurde. Entsprechend marschiert sie mit großen Ambitionen in ihre eigene Erschöpfung, alternativ in die Kinderlosigkeit, immer im Bewusstsein, nicht etwa wahnsinnig einsam, erschöpft oder leer zu sein, sondern vor allem wahnsinnig emanzipiert. Glückwunsch. So sterben wir in der Tat viel schneller aus.